Die Geschichte von Ermatingen; ca. 1900 bis heute


Ein Beschrieb Ermatingens aus dem Geografischen Lexikon um 1900

ERMATINGEN (Kt. Thurgau , Bez. Kreuzlingen).

400-440 m., am Untersee schön gelegen, 7 km w. Konstanz.

Dorf : 258 Häuser, 1410 Ew., wovon 1244 Reformierte und 166 Katholiken.

 

Zerfällt in die zwei getrennten Abschnitte des Dorfes und des « Staad » (Gestade). Ersteres liegt an der Strasse Konstanz-Schaffhausen; der Staad, unmittelbar am Seeufer gelegen, bildet auf einem in den See vorgeschobenen und landfest gewordenen Delta einen Kreisbogen und ist stets von einer Flottille von Gondeln, Nachen und Motorbooten umgehen. Zwischen Dorf und Staad zieht die Bahnlinie durch.

Bedeutende Station der Linie Konstanz-Schaffhausen. Zollamt, Postbureau, Telegraph. Telephon. Früher bedeutender Landungsplatz für Segelschiffe, heute eine der wichtigsten Stationen der Dampfboote des Untersees. in gerader Fortsetzung der zum Hafen führenden Strasse zieht sich eine 150 m lange hölzerne Landungsbrücke in den See hinaus.

Staad ist hei Hoch-Wasser oft Überschwemmungen ausgesetzt.

 

Der Dialekt der Bewohner von Staad zeigt die sonst nirgends anzutreffende Eigentümlichkeit, dass der Diphtong ei in ein dunkles, langgezogenes oe umgewandelt wird, so dass  Wörter wie Stein, Bein, kein, Leiter usw. als Stoa, Boa, koa, Loatere ausgesprochen werden.

 

Geplant wird eine elektrische Strassenbahn Ermatingen - Konstanz - Münsterlingen, da Ermatingen und die umliegenden Schlösser beliebtes Ausflugsziel der Konstanzer sind. Ermatingen ist auf dem besten Wege, ein Kurort ersten Ranges zu werden.

 

Neben der Fremdenindustrie haben sich eine Reihe von andern industriellen Erwerbszweigen erst seit Kurzem eingebürgert, so dass sie bis jetzt noch verhältnismässig wenige Hände beschäftigen. Es sind die Herstellung von Waagen aller Art, von Blechbüchsen, Karton- und Werkzeugfabrikation, Bau von Luxuswagen, dann die Stickerei als Hausindustrie (10-12 Stickmaschinen), eine Säge für Bauholz, zwei Kleiderfabriken. Holz- und Viehhandel, dieser besonders von den in Wangen (Grossherzogtum Baden) ansässigen Juden betrieben, die in Ermatingen eigene Stallungen gemietet haben.

 

Haupterwerbsquelle der Bewohner ist aber immer noch die Landwirtschaft; mit Ausnahme von etwa 20 ausschliesslich von der Fischerei lebenden Männern bebauen auch die Fischer von Staad alle noch einige kleine Äcker und Weinberge. Boden sehr fruchtbar und Klima günstig. Im Grossen und mit Sorgfalt wird besonders die Frühjahrsrosenkartoffel gebaut, die in grossen Massen auf den Konstanzer Markt zum Verkauf ausgeführt wird. Als Dünger wird (heutzutage allerdings seltener als früher) eine im See wachsende Wasserpflanze, das sog. Wasserheu, verwendet, die man im Winter zur Zeit des Niedrigwasserstandes einsammelt.

In den Beständen dieses Armleuchtergewächses (Chara) tummelt sich die Groppe, ein kleiner Fisch mit breitem Kopf, der einem der Ortschaft Ermatingen eigentümlichen Fest, der sog. Groppenfastnacht, seinen Namen gegeben hat. Über den Ursprung dieses Festes sind die Meinungen noch verschieden, indem es von den Einen mit dem Konzil zu Konstanz Verbbindung gebracht, von den Andern aber als alter germanischer Brauch angesprochen wird.

 

Weitbekannt ist Ermatingen durch seinen Handel mit Fischen geworden, die hauptsächlich in die übrigen Teile der Schweiz, ins Grossherzogtum Baden und nach Württemberg ausgeführt werden; Forellen von Ermatingen kommen sogar in Paris auf den Markt. Der wichtigste und lohnendste Zweig der Fischerei ist der Fang des Gangtisches, einer kleinen Felchenart mit ausgezeichnet zartem Fleisch. Der Fisch wird im Winter gefangen und für den Export geräuchert.

Eine grosse, von der Eidgenossenschaft unterstützte Fischbrutanstalt sorgt für die stetige Neubevölkerung des Sees. 


Elektrifizierung

Aus den "Ermatinger Notizen" von H. Steiger


(Diese Notizen beginnen im Jahr 1904, in dem Steiger "trotz Bojkott" als Lehrer an die Unterstufe gewählt worden war. Hans Herzog hat Steigers Handschrift transkribiert - vielen Dank!)

  • 20. April 1907: Besprechung der Vereinsvorstände wegen Turnhallenbaute!
     
  • 27. Okt: die Kirchgemeindeversammlung beschliesst mit schwachem Mehr die Anschaffung einer neuen Orgel
     
  • 10. Mai 1908: Orts. und Bürgergde.Beschluss: das Spitöli muss weg!
das alte "Spitöli" beim heutigen Spielplatz vor der Dosi
das alte "Spitöli" beim heutigen Spielplatz vor der Dosi
  • 27. Jan. 1910: Man sieht den Johannesburger Kometen. Viele Leute haben Angst (Weltuntergang).
  • 18. Mai: Auf diesen Tag ist der Weltuntergang prophezeit worden. Aber er tritt nicht ein.
     
  • 16. Juni: Hochwasser im Staad!
     
  • Dez.: Es werden sehr viele Gangfische gefangen, vor allem in Gottlieben!
     
  • 4. Dez. 1911: Die ersten Spatenstiche für die neue Turnhalle werden gemacht.
  • 1. Aug.1912: Einweihung der neuen Turnhalle an der Bundesfeier
  • 18. März 1912: der Sakropharg der Gräfin Reichenbach wird aus dem "Mausoleum" abtransportiert
  • 29. Juli 1913: Es werden massenhaft Blaufelchen gefangen und zu Schleuderpreisen abgesetzt.

  • 8. Sept: Es wird am kath. Pfarrhause zu bauen begonnen.

  • 8. Okt: Die Kinderlähmung tritt in mehreren Fällen auf.

  • 27. Jan 1914: Der See ist zugefroren. Prächtige Eisbahn. Grosses Flintengeknatter der Vogeljäger.

  • 11. März: Die Hard AG beschliesst Liquidation des Hotelbetriebs. Die Gläubiger sind sehr erbost!

  • 5. Juni: Während eines Gewitters ist der Fischer Johann Bügler in seiner Gondel von einem Blitz erschlagen worden.

  • 22. Juli: Das Rathaus wird aussen frisch gestrichen (Heimatschutzmanier).

Erster Weltkrieg 1914 - 1918

  • 27. Juli 1914: Grosses Extrablatt. Kriegserklärung Österreichs an Serbien.
  • 30. Juli: In der Gesangsstunde des Männerchors werden die Vaterlandslieder mit Begeisterung gesungen
  • 31. Juli: Die Leute rennen auf Banken und heben Geld ab.
  • 1. Aug: Die Bundesfeier fällt dahin. Die Schweizer Armee ist auf Pikett gestellt. Der Landsturm ist aufgeboten.
  • 3. Aug: Erster Mobilmachungstag unserer Armee.
  • 4. Aug: Der Auszug rückt ein, ebenfalls die Landwehr. Die fremden Arbeiter verlassen die Schweiz. Die Kriegserklärungen folgen rasch aufeinander.
  • 23. Aug: die Landsturmwache ist im Wartsaal der SBB kantoniert. Wm Züst macht Dummheiten und muss wegen Geistesgestörtheit versorgt werden.
  • 16. Okt: Eine Wagenladung Kartoffeln kommt aus Holland zu 11.50 Fr. pro Doppelzentner. Sie gehen rasch weg, denn bei uns sind die Kartoffeln missraten.
  • Nov: Die Vogeljäger befürchten, die Jagd könnte wegen des Krieges verboten werden.
  • 26. No.: Die Vogeljagd beginnt mit gutem Ertrag. Man schätzt ihn auf 5'000 Belchen.
  • 9. Dez: Zum Grenzschutz an der Nordgrenze wird Militär eingesetzt.
  • 22. Nov. 1916: Nachrekrutierung: 5 junge Männer aus Ermatingen werden als diensttauglich erklärt: Heinrich Bügler (Kaspers); Robert Kreis, Obsthändlers, Adolf Läubli, Sattlers, Jakob Ribi, Baumwärters und Adolf Blattner, Schiffgass.
     
  • 7. Juli: Hochwasserstand. Es wird nach weiterer Abgrabung bei Stiegen (vis-à-vis von Eschenz) gerufen, um das Abflussquantum zu vergrössern, aber die Schaffhauser protestieren.
     
  • 30. Aug: Das Schloss Hard kommt auf konkursamtliche Versteigerung, findet aber keinen Liebhaber.
     
  • 16. Sept. Emil Ammann, Fuhrhalter ("Cholemiggel") hat in der Nähe des alten Kohlplatzes wieder eine Köhlerei eingerichtet.
  • 7. Nov; Das Schloss Hard soll von deutschen Internierten bezogen werden.
     
  • 20. Nov: Die deutschen internierten Soldaten erscheinen im Dorfbild und Dorfleben.
     
  • 6. Feb. 1917: Das Eis im See nimmt infolge der kalten Nächte (-12 Grad) an Stärke noch bedeutend zu. Viele tausend Personen bewegen sich auf dem Eis.

    im Krieg:
  • 6. März: Erster schweizerischer fleischloser Tag!
  • 12. März: Die Kämpfe im Elsass nehmen zu. Man hört den Kanonendonner deutlich jeden Tag.
  • 16. März: Die untere Hälfte des Turnplatzes muss umgegraben und als Gemüseland verwendet werden (die Turner graben ihn um).
  • 11. April: Die Kartoffelvorräte müssen abgeliefert werden.
  • 25. April: Die Fortbildungsschüler kommen barfuss zur Schule, weil die Schuhe teuer sind.
  • 29. Mai: Man kann keine Schule halten, die Masern sind ausgebrochen. Ferien machen.
  • 29. Aug: Für Zucker, Reis und Teigwaren gibt es Marken.
  • 2. Okt: Nun gibt es auch Brotkarten.
  • 4. Jan. 1918: Bei grimmiger Kälte rückt das Regiment 31 ein.
  • 28. Febr: Nun gibt es auch Fettkarten.
  • 2. Juli: Die französischen Kriegsgefangenen werden durch die Schweiz nach Frankreich heimbefördert. Sie schreiben "Vive la Suisse!" und werfen deutsches Komissbrot aus den Zügen. Jeden Tag ein Zug!
  • 16. Juli: Die deutschen Internierten, ca. 120, reisen ab. Und die Mädchen - sie schaffen sich einen andern an!

    die Spanische Grippe:
  • 17. Juli Die Grippe nimmt überhand, besonders im Staad.
  • 1. Aug: Die Bundesfeier muss unterbleiben wegen Ansteckungsgefahr.
    11. Aug: Unter den Soldaten grassiert die Grippe.
  • 22. Sept: Die Grippe fordert viele Opfer. Die Komplikation mit Lungenentzündung ist gefährlich. Verschärftes Versammlungsverbot.
  • 25. Okt: Die Schule wird bis auf weiteres nicht begonnen wegen der Grippe.
  • 19. Nov: Die Zeitungen sind voll Todesanzeigen von Soldaten, die an Grippe erkrankt und gestorben sind. Aus unserer Gegend: Gottlieb Simon, Maler; Jakob Singer; Tambour; Robert Neher, Fabrikant
  • 23. Nov: Das Thurgauer Regiment kehrt heim, aber ein Drittel des Mannschaftsbestandes liegt krank in Zürich
  • 12. Sept: Das Haus Schmiede Thaler wird abgebrochen. Im Fundament findet sich Material vom "Grauen Stein".

Die "Goldenen Zwanziger Jahre"

  • 2. Juni 1919: Das Harder Gut rechts der Wolfsbergstrasse ist verkauft an einen Dr. Blum.
  • 5. Okt: Die Villa Blum im Ulmberg ist im Bau.
  • 5. Juli: Ein neuer besserer Fahrplan tritt in Kraft. 5 Züge in jeder Richtung sind eine grosse Errungenschaft.
  • 19. Dez: die Ermatinger Leihkasse wird geschlossen (angeblich provisorisch)

  • 11. Jan. 1921: Ammann und Co Waagenfabrik haben Geschäftskrise, sie arbeiten nur 2 Tage in der Woche.
      
  • 17. Nov: Die Baugrube für die Fabrik Goldinger wird ausgehoben. Grundwasser!
       
  • Grenzschluss nach Konstanz. Die Konstanzer haben nichts mehr zu verkaufen. Kurs: 100 Mark = 3.25!
     
  • 13. Febr: Die oberen Klassen haben frei für den Eislauf. Die unteren Klassen machen einen Spaziergang Arenenberg-Mannenbach und auf dem Eis heim.
     
  • 24. Febr: Wegen schlimmem Wetter, Kälte und Schneefall wird der Umzug der Groppenfasnacht um eine Woche verschoben.
     
  • 8. Mai: Die Unterführung bei der Post wird in Angriff genommen. Wegen des Wasserdrucks muss ständig eine Pumpe schaffen.
     
  • 11. Juni: Unsere Untersee-Dampfer haben Pech, einer nach dem andern hat Unfall.
  • 22. Jan: Es wird eine Postauto-Verbindung Ermatingen - Müllheim geplant.
     
  • 24. Juni: Die Schüler werden in den Wald geschickt, um Immergrün und Efeu zu sammeln zur Schmückung des Postautos, das am 1. Juli die Eröffnungsfahrt machen wird von Ermatingen nach Müllheim-Wigoltingen.

 

 

das erste Auto in Ermatingen mit Sekundarlehrer Engeli
das erste Auto in Ermatingen mit Sekundarlehrer Engeli

  • 26. Aug: Ortsgemeinde-Versammlung: Beschluss über die Gasversorgung und Ratifizierung des Vertrags mit dem Gaswerk Konstanz.
     
  • 28. Nov: Schneesturm von grosser Heftigkeit, 2 Schiffe bleiben stecken, der Zug oberhalb Tägerwilens und das Postauto bei Fruthwilen.
     
  • 20. Dez: In der Thurgauer Zeitung steht: Die geplante Autoverbindung Ermatingen-Kreuzlingen-Weinfelden sei überflüssig, womit der Einsender recht hat.
     
  • 6. Jan. 1923: Die Bürgergemeinde hat Ernst Kreis (Bernhards) als Förster gewählt. Rudolf Kreis hat nicht beliebt!
  • 4. April: Das Groppenkomitee beschliesst nun doch die Fischausstellung durchzuführen.
    Emil Ammann zur Eisenbahn arbeitet mit seiner Equipe, 20-30 Mann, an der Ausstellungshalle. Die Binder werden aufgerichtet. Es können ca. 20 lebende Fischarten in den Glasbassins von Bern ausgestellt werden.

 

 

die Halle dieser Fischausstellung; zvg Hans Herzog
die Halle dieser Fischausstellung; zvg Hans Herzog

 

 

die Hauptstrasse, bevor sie 1923 geteert wurde
die Hauptstrasse, bevor sie 1923 geteert wurde

  • 12. Juli: Es soll eine allgemeine Ortskrankenkasse gegründet werden.
     
  • 18. Aug: Die Firma Ammann und Wild wird sehr kritisiert und als Schwindelfirma bezeichnet.
       
  • 19. Aug: Die Kantonalbank werde an Stelle der bisherigen Einnehmerei eine Agentur errichten.

  • 17. Sept: Deutscher Kurs: 1 Million Mark = 5 Rappen.
  • 21. Sept: Markkurs: 1 Milliarde Mark = 14 Franken.

 

Der nebenstehende 50 Mio-Mark-Schein wurde am 23. Sept. ausgegeben. Er war damals also genau 70 Rappen wert.

z. Vfg. gestellt von Fanny Herzog
z. Vfg. gestellt von Fanny Herzog


  • 16. Dez: Kunstmaler August Herzog stellt seine Bilder im Rathaus aus
"Netzhänki" von August Herzog 1933
"Netzhänki" von August Herzog 1933


  • 30. März 1924: Am Tage der Groppenfasnacht in Ermatingen wurden auf der Station Emmishofen-Kreuzlingen über 2'200 Billette nach Ermatingen gelöst.
     
  • 4. Febr. 1926: Ermatingen erfährt eine ausgedehnte Masernepidemie.
  • 11./12. Mai 1928: In den kalten Nächten sind an vielen Orten die Reben erfroren.

 


Aus den "chronologischen Notizen von Ermatingen" 1929-34 von Salomon Blattner

In dieser Zeit hat alt Sekundarlehrer Salomon Blattner eine Chronik über das Leben in Ermatingen geführt. Er meinte selbst: "Ein alter Sek.lehrer wird eben zu allem eingespannt, wo nichts zu verdienen ist."

Also schon damals!

  • Jan. 1929: Von Ende Januar bis Mitte März starke "Seegfröri", so dass vom Landungssteg direkt gegen die Reichenau mit Schlittschuhen gefahren werden konnte.
    Eisfest der Schuljugend. Starker Besuch des Untersees von auswärts. Autos, Reiter befahren die Eisdecke. Keine nennenswerte Unfälle.
     
  • 14. Mai: Landung des Leichnams eines 18-jährigen Jünglings, der über die Rheinbrücke bei Konstanz gesprungen war.
     
  • 16. Mai: Zeppelin fährt nach Amerika.
    24. Mai: Rückkehr vom Zeppelin, der in Frankreich wegen Motordefekts seine Weiterfahrt aufgeben musste.
     
  • Juni: Die Ortsgemeindeversammlung beschliesst die Erstellung einer Seewasserleitung mit Filtrieranlage.
     
  • 1. Aug.: Die Bundesfeier wird auf dem See abgehalten, mit prächtigem Gondelkorso.
     
  • 24. Aug.: Auf einer Ausfahrt nach St. Gallen mit Motorvelo verunglückte ein junges Ehepaar aus Ermatingen. Die Frau war sofort tot, der Mann lang längere Zeit im Spital St. Gallen.

  • Im Jan. 1930 wird die 600 m lange Seewasserleitung gelegt. Der eigentliche Wassersauger wurde in 23 m Tiefe an der sogenannten "Halde" versenkt. Das Wasserhaus mit den Filteranlagen wurde fertig erstellt und die ganze Anlage im Frühjahr dem Betrieb übergeben.
    Etwelchen Widerstand fand diese Neuanlage bei vielen Leuten, die glaubten, das Wasser sei ungeniessbar.
     
  • 30. März: Am Latäritag wurde, wie alljährlich, die Groppenfasnacht gefeiert. Diesmal hatte das Groppenkomitee sich eine ziemlich grosse Aufgabe gestellt und einen Umzug veranstaltet, wie noch keiner stattgefunden hat. Gegen 500 Beteiligte zu Fuss, zu Pferd, zu Wagen und Autos, sowie einige hübsche Kindergruppen, wies dieser Umzug auf.
    Der Seewasserstand ist so niedrig, dass keine Dampfschiffe fahren konnten auf unsere Fasnacht.
     
  • 1. Juni: Ermatingen verwirft das Gesetz über die Revierjagd. Es sind namentlich die Patentjäger, Fischer und Vogeljäger, welche Gegner der Vorlage gewesen aus der Befürchtung, sie könnten in ihren Rechten gekürzt werden.
     
  • 24. Juni. Die Munizipalgemeinde beschliesst fast einstimmig die Einführung der Revierjagd. Ein Beispiel, wie schnell auch die Meinung der Stimmbürger sich ändern kann.
     
  • 17. Sept: Es wurden die ersten Trauben geerntet, sog. Risling-Sylaner.
     
  • 9. Dez: Laut Zeitung wird die hiesige Kartonfabrik von Herrn Model eingehen, da der Besitzer einen grösseren Bau mit grosser Wasserkraft in Weinfelden gekauft hat und dorthin die Fabrikation verlegen will. Für Ermatingen bedeutet das einen ziemlich grossen Verlust, da namentlich auch hiesige Einwohner ihren Verdienst in dieser Fabrik gefunden hatten.
  • Trotz der grossen Krise, die 1930 aufgetreten ist, dürfen wir hier noch zufrieden sein, da wir wenig Arbeitslose haben und kein Betrieb seine Arbeit einstellen musste.
    Hoffen wir, dass das neue Jahre 1931 etwelche Besserung bringe.

  • 15. Jan. 1931: Es kommt Bericht, dass in Davos der Direktor der hiesigen Dosenfabrik Herr Louis Sauter plötzlich gestorben sei. Die Leitung geht über an seine Gattin und der Fabrikbetrieb erleidet keinen Unterbruch, was für Ermatingen von grosser Bedeutung ist in der Krisenzeit.
     
  • 10. April: Schulgemeinde. Es wird der Ankauf der Gebäulichkeiten von den Geschwistern Ammann zur Mühle (bei der Brugg) mit zirka 62 Aren Umgelände beschlossen. Das Areal wird als Bauplatz für ein später zu erstellendes Sek.Schulgebäude in Aussicht genommen.
     
  • Am 29. Mai erfolgt im Obertal, südlich vom "Grauen Stein" ein Erdrutsch von zirka 150 m Breite in einem solchen Ausmass, dass Ähnliches in unserer Gegend noch nicht gesehen worden ist.
     
  • Am 19. Juni droht der See über die Ufer zu treten, besinnt sich dann aber eines Besseren.
     
  • Diesen Sommer wird die der Brauerei Feldschlösschen gehörende Wirtschaft zur Linde einer totalen Renovation unterworfen und das neu reparierte Gebäude mit anstossender Halle ist nun eine Zierde unseres Dorfes.
     
  • Bei den Ausgrabungen eines Kellers zu dem Neubau von Lehrer Kasper in der sogenannten "Lehmgrube" wurde ein menschliches Skelett gefunden, ebenso ein eisernes Messer. Ähnliche Funde sind auch schon früher beim Bahnbau in jener Gegend gemacht worden. Es handelt sich jedenfalls um ein alemannisches Gräberfeld. Dieser Fund hat zu verschiedenen Zeitungsartikeln Stoff gegeben.

 

  • In einem dieser Zeitungsartikeln wird mitgeteilt, dass Ermatingen schon am 25. April 724 urkundlich genannt wird, so dass es zu den ältesten Siedlungen im Thurgau gezählt werden kann.
  • Ferner wird auf die Funde im See hingewiesen, die man aus der Pfahlbauerzeit gesammelt hat, und ein Einsender wünscht sogar, dass analog Unteruhldingen auch hier ein Pfahlbauerdorf rekonstruiert werden solle. Obschon diese Idee etwas für sich hätte, wird die Verwirklichung noch einige Zeit auf sich warten lassen.
das wäre dann vielleicht etwa so herausgekommen!
das wäre dann vielleicht etwa so herausgekommen!
  • Am 12. Oktober erhält die Berggemeinde Sool in Glarus 3'300 kg Obst als Spende im Auftrag von Pro Juventute, durch die Sek.Schüler gesammelt.
      
  • Am 6. Dez. gehört unsere Gemeinde zu denjenigen, die mit starkem Mehr die Vorlage über die Altersversicherung verworfen haben.
      
  • Am gleichen Tag ist Eröffnung der Vogeljagd. Es sollen über 5'000 Vögel erlegt worden sein. In der Konstanzer Zeitung erscheint ein längerer Artikel, worin gegen diesen "Vogelmord" Einsprache erhoben wird. 

  • 25. April: Schulgemeinde. Es werden zwei Kurse für Hobelbank neu eingeführt.
     
  • 17.-20. Okt: Im Adler tagt eine ständerätliche Kommission mit Bundesrat Häberli. Der Männerchor begrüsst die Gäste mit einigen Liedern.
     
  • Auch in diesem Jahr hat die "Gangfischsegi" guten Fang gemacht und die Vogeljäger oder "Vogelmörder" sind auch zufrieden.
     
  • Betreffs "Vogelsand" kann ich mitteilen, dass dieser Ausdruck heute noch bekannt ist, da die Leute für ihre Hühner noch hie und da solchen holen unter dem Namen "Schnegglisand".
    Die sogenannte "Müss" (Armleuchteralgen; auf dem Grund des Bodensees und Rheins massenhaft wachsende und als Düngstoff benutzte Pflanze), die früher auch als Düngemittel Verwendung gefunden hat, ist fast total ausgestorben, eben durch die Unmasse von Vögeln. Damit haben auch die Groppen ihre Schlupfwinkel verloren.
    Früher wurde auch den Stubenvögeln Sand und zerdrücke, getrocknete "Müss" gestreut.

Salomon Blattner beendet nun seine chronischen Aufzeichnungen mit der Bitte, jemanden anders für diese Aufgabe zu suchen - "ich weiss ja auch, dass die "Modernen" nicht viel Zeit haben für Sachen, die nichts eintragen..."

Ida Engeli hat nun seine Arbeit übernommen:


  • In der Nacht auf den 13. März 1933 brannte die Scheune der Wirtschaft zum Heimgarten (heutiger Hecht) ab.
     
  • 15. März. Die Bürgergemeinderechnung wurde genehmigt. Da infolge der niederen Holzpreisen die Einnahmen sehr zurückgegangen sind, ist es nicht mehr möglich, den Bürgernutzen auszurichten. Jeder Bezugsberechtigte muss seinen Holzanteil selber nehmen oder er geht leer aus.
     
  • Am 15. Mai brach in der Dosenfabrik infolge Lohnabbau ein Streik aus. Namentlich die Arbeiterinnen... (dann wird das Dokument leider unleserlich) . Der Streik dauerte nur 4 Tage.
     
  • Im Mai bis tief in den Juni hinein hatten wir eine grosse Maikäferplage. In riesigen, nie gesehenen Schwärmen erhoben sie sich abends; wie das Rauschen von Eisenbahnzügen war ihr Summen anzuhören, man musste Fenster und Türen schliessen und es war nicht ratsam, beim Zunachten auszugehen.
    Weil sie so spät im Frühjar erschinen, war der Schaden nicht allzu gross, doch fürchtet man die nächstjährige Engerlingsplage.
     
  • In der Nacht des 8. Nov. fand ein Erdbeben statt. Ein Zittern der Bettstatt weckte die Schläfer, man hörte ein Knacken in den Wänden, dann war der Spuk vorbei. Schaden ist keiner entstanden.
  • Die Weinernte beginnt nicht mehr wie früher mit Glockengeläute. "Es läutet nicht mehr in die Reben", seitdem so viel Silvaner angebaut werde, der früher reif ist als die alten Sorten.
     
  • Die Bautätigkeit war im abgelaufenen Jahr recht gross, so dass an der Peripherie des Dorfes neue Quartiere entstehen, ostwärts als auch im Westerfeld.
     
  • Ermatingen war bis jetzt von der Krise auf dem Arbeitsmarkt verschont geblieben, aber gegen Ende Juni machte sich in der grossen Möbelfabrik Goldinger Arbeitsmangel geltend, der leider bis Ende Jahr anhielt. Die Arbeiter waren zum Teil nur 1-2 Tage in der Woche beschäftigt.
     
  • Grossen Unwillen riefen die Blechablagerungen der Dosenfabrik am Seeufer hervor. Zur Auffüllung der Riedwiesen benützt Frau Direktor Sauter auf den Streueplätzen im Westerfeld, die zum grossen Teil ihr Eigentum sind, die Blechabfälle der Fabrik, was einen sehr hässlichen Anblick bietet.
     
  • Die grösste Welle aber warf bei unserer vorwiegend bäuerlichen Bevölkerung die Güterzusammenlegung. Infolge der grossen Parzellierung sollte vor der Vermarkung der Güter eine Grenzbereinigung und Zusammenlegung stattfinden, wogegen sich aber ein Teil der Bauern heftig sträubte. ... Sie zogen den Streit vor Bundesgericht, wo er jetzt noch hängig ist.

  • Frühling 1934: Die Engerlingsplage, die man nach dem letztjährigen Maikäferflug erwarten musste, machte sich stellenweise sehr stark geltend, so dass manche Wiese umgepflügt wurde. Auch die Kartoffeln litten unter dem Engerlingsfrass.
  • Nach der Groppenfasnacht gab es grosse Uneinigkeit und Missstimmung, da die Mitglieder des Groppenkomitees einen Teil des Überschusses zu einer Reise an die Riviera verwendeten, womit viele Ermatinger nicht einverstanden waren. In Zank und Ärger löste sich das Groppenkomitee auf.
     
  • Das Jahr 1934 war ein Krankheitsjahr, namentlich für die Kinder. Im zeitigen Frühjahr brach eine Masernepidemie aus, die grossen Umfang annahm. Von den 47 Kindern des Kindergartens erkrankten 45 an den Masern. Glücklicherweise trat die Krankheit harmlos auf und bei keinem der Patienten war Gefahr einer Komplikation.
    Jetzt werden wir einige Jahre vor den Masern Ruhe haben, weil die Kleinen alle durchseucht sind.
     
  • Sonst war 1934 ein gutes und ruhiges Jahr. Unsere Gemeinde litt nicht unter Arbeitslosigkeit. Möbelfabrik Goldinger und Dosenfabrik arbeiten normal.
  • Der Herbst brachte Ermatingen einen schweren Verlust, als Herr alt Sekundarlehrer Blattner einem Herzstillstand erlag.
     

Hier enden die Aufzeichnungen dieser Ermatinger Chronik.

 

 

 

 


Industrielle Entwicklung

Nun prägte - neben dem traditionellen Handwerk und Gewerbe - die aufkommende Industrie das Arbeitsleben von Ermatingen, mit der Schaffung von einigen hundert Arbeitsplätzen.

Etliche Ermatinger Fischer und Landwirte fanden ihr Auskommen in der Fabrik, oft auch deren Frauen am Fliessband.

Es gab viele Pendler, auch solche per Boot von der Reichenau.
Insbesondere wurden auch viele GastarbeiterInnen und Saisonniers zur Arbeit herangezogen, regelrecht "rekrutiert".

 

Es waren die drei grossen Firmen




Die Patrons Sauter/Goldinger wollten eine vierte konkurrierende Grossfirma allerdings nicht in Ermatingen ansiedeln; es habe nicht genug Bauland und Arbeitskräfte... so ist die Model AG nach Weinfelden gezogen:


Zweiter Weltkrieg


Mechanisierung und Technisierung; Beispiel "kühlen"...

Wenn man ältere Leute fragt, was aus der Geschichte in ihrem Leben besonders wichtig gewesen sei, dann bekommt man selten Antworten mit politischem Hintergrund. Vielmehr sind es Entwicklungen, die den Alltag geprägt haben: Elektrifizierung, Technisierung, Mechanisierung und Mobilität; heute auch die Digitalisierung.

 

Nehmen wir zwei Beispiele, zuerst die Kühlung. Früher besassen grosse Höfe Eisgruben, Schlösser wie das Hard, Arenenberg oder der Wolfsberg grosse Eiskeller. Mit den Eisquadern wurden dann zum Beispiel Kühlschränke kalt gehalten:


Heute sind Kühlschränke mit Eisfächern, Tiefkühlschränke oder Tiefkühltruhen eine Selbstverständlichkeit in jedem Haushalt.


... oder "waschen"

Foto H. Herzog
Foto H. Herzog

Frieda Geiger und Hebamme Brauchli wuschen ihre Wäsche im kalten Wasser an der Stedi; andere Frauen taten dies am Seeufer, am Dorfbach oder an einem der Dorfbrunnen.

In diesem "Wöschhüsli" an der Brünnelistrasse konnte man diese Arbeit wenigstens zuhause machen.

Heute gibt es keine kalten Finger mehr; die Waschmaschine im Technikraum ist eine Selbstverständlichkeit, mit dem Tumbler gleich obenauf.


Ermatingen 1959; Paul Wyss
Ermatingen 1959; Paul Wyss

Ermatinger Impressionen 1961 - Kurzfilm von A. Strassburger

Schauen Sie dieses eindrückliche viertelstündige Zeitdokument von Albert Strassburger im Archiv des Bodensee-TVs Kreuzlingen-Steckborn:


1975 Einheitsgemeinde mit Triboltingen


Dorfentwicklung

Bauboom in Ermatingen
Bauboom in Ermatingen

Fassen wir einige wichtige Entwicklungen unseres Dorfes in Stichworten auf dieser Folie zusammen:


Kommunikation und Digitalisierung


Die Entwicklung von Ermatingen in den letzten 150 Jahren

Studieren Sie die Entwicklung Ermatingens in den letzten 150 Jahren, indem Sie den Schieberegler betätigen.